Der Wettbewerbsdruck in der Automobilindustrie erfordert auch von den Zulieferern ständige Innovationen und Anpassungsfähigkeit. Wo die Unternehmen Innovationen suchen und finden können und wie ein Plettenberger Automobilzulieferer daraus eine Strategie gemacht hat.
Was beflügelt Innovation – und wie bleibt es nicht bei der Theorie? Das sind zwei der Fragen, die Charlotte Edzard, Innovationscoach beim Digital Hub Logistics, von Unternehmensvertreter:innen am häufigsten gestellt werden. Im Rahmen eines dreiteiligen Workshops des ATLAS-Projekts hat sie den Unternehmen – gemeinsam mit weiteren Projektpartnern – jetzt Suchräume aufgezeigt, Fallstricke erläutert und erste Schritte zur Umsetzung von Ideen präsentiert. „Innovationen fallen nicht vom Himmel. Deshalb muss man Strukturen schaffen und sich dafür auch mit Innovationsprozessen und -methoden beschäftigen“, sagt die Transformationsexpertin. „So wird Innovation im Unternehmen beflügelt!“
Innovation als strategische Aufgabe
Unternehmen aus der Automobilzuliefer-Industrie verfügen in der Regel über eine sehr gut ausgebaute Produktentwicklung und sind daher gut darin, in ihrem angestammten Bereich, oft getrieben von den Fahrzeugherstellern, technologische Innovationen voranzutreiben. Allerdings beklagen die Unternehmen selbst, so Charlotte Edzard, dass sich viele Hierarchien, Prozesse und Strukturen verfestigt haben: „Dem kann ein Unternehmen nur entgegentreten, wenn Innovation als strategische Aufgabe verstanden und Teil des Unternehmensbilds wird. Die Geschäftsführung muss hier mit gutem Beispiel – und dem notwendigen Spirit – vorangehen und ein Team mit Menschen aus verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zusammenstellen, die wirklich Lust haben, Innovationen zu entwickeln.“
Damit Innovationsmanagement im Unternehmen gelebt wird, müssen Eigeninitiative und Verantwortung gefördert werden. Unternehmer:innen müssen Freiräume für Mitarbeitende schaffen: Es muss zum einen deutlich werden, dass diese einen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringen dürfen, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Zum anderen müssen Ideen erkannt und – als motivierender Faktor – auch belohnt werden. Wichtig dabei: eine moderne Fehlerkultur, in der Irrwege oder Sackgassen auch als Chance erkannt werden. „Ein Innovationsteam wird die Firma nicht von einem Tag auf den anderen auf links drehen“, sagt Charlotte Edzard. „Das Ergebnis der Arbeit muss nicht zu komplett disruptive Innovationen führen: Veränderungen von Produktionsabläufen oder von Schichtplänen sind ebenso wertvoll!“ Gerade zu Beginn sei es vor allem wichtig, kleine Erfolge zu generieren, um sich die Unterstützung und die Akzeptanz aus der Organisation und der Belegschaft zu sichern und Innovation auch auf kultureller Ebene zu anzugehen.
Inspiration für Innovation
Dabei entstehen Innovationen nicht im Elfenbeinturm. Sogenannte Suchräume reichen vom Markt, also der Auseinandersetzung mit Mitbewerbern, Partnern und Kunden bis hin zur privaten Umgebung, in der Familie und Freunde zu Ideengebern werden. „Wenn ein Unternehmen technologisch besser werden will, bieten sich Kooperationen mit Forschungseinrichtungen an. Soll die Herangehensweise an Innovationen verbessert werden, kommt eher eine Zusammenarbeit mit einem Start-up aus der Branche infrage. Und für Lieferketteninnovationen holt man sich vielleicht mal einen Netzwerkpartner ins Boot“, nennt Charlotte Edzard weitere Inspirations- und Innovationsquellen. „Viele Unternehmen machen das sogar oft ganz selbstverständlich oder intuitiv. Sobald man aber die Perspektive wechselt und von außen auf seine Suchräume schaut, wird deutlich, ob man wirklich alle Potenziale ausschöpft.“
Das hat sich auch das Plettenberger Unternehmen PRINZ VERBINDUNGSELEMENTE, das im Rahmen des ATLAS-Workshops die Grundzüge seines Innovationsmanagements vorgestellt hatte, auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen mit rund 180 Mitarbeitenden ist Experte für Langschaftverbindungselemente wie Schrauben und Wellen, die Automobilbranche gehört zu den wichtigsten Kundenfeldern des Unternehmens. Dabei treibt PRINZ die digitale Transformation des Betriebs gezielt voran und folgt bei der Innovationsentwicklung einem strukturierten Prozess. „Wir haben Lust auf Zukunft und wissen, dass wir uns nicht auf Glücksgriffe verlassen können, sondern Innovation strukturiert angehen müssen, um langfristig innovativ zu sein“, sagt Stephan Schwarz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Prinz.
Als ein solcher Glücksgriff hatte sich unlängst ein Kundenauftrag über dünne und lange Schrauben für E-Bike-Batterien erwiesen. Bei einem Glas Rotwein reifte im Team die Erkenntnis, dass die angefragten Schrauben von der Struktur und Beschaffenheit her Fahrradspeichen ähneln – und ein fahrradbegeisterter Mitarbeiter brachte die Idee selbstleuchtender Fahrradspeichen ins Gespräch. Gesagt, getan: Im vergangenen Jahr stellte PRINZ das innovative Produkt bereits auf einer internationalen Bike-Messe vor.
Info. Gemeinsam Innovation starten: Der Digital Hub Logistics hat im Projekt ATLAS mit der Gesellschaft zur Wirtschafts- und Strukturförderung im Märkischen Kreis und der agentur mark weiteren Partnern bereits die Workshop-Reihe „Innovation in der Automobil-Zulieferindustrie“ durchgeführt. Weitere Veranstaltungen dieser Art sind in Planung.