Geschäftsmodell-Entwicklung

„Wenn Sie nicht disruptiv unterwegs sind, werden Sie geschlagen“

Diesen Satz würde Jay Farner, CEO des größten US-Hypothekenfinanzierers Quicken Loans, sicher am liebsten jedem einzelnen Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung ins Stammbuch schreiben. Tatsächlich sollten Unternehmen heute regelmäßig nach neuen (digitalen) Geschäftsmöglichkeiten Ausschau halten, sagt auch Dr. Laura Reder, Innovationscoach des Digital Hub Logistics. Wir haben mit ihr über Herausforderungen, Chancen und die richtigen Schritte bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gesprochen.

Digital Hub Logistics: Müssen sich Unternehmen heute tatsächlich immer und immer wieder neu erfinden?

 Dr. Laura Reder: 80 Prozent aller Unternehmen erwarten, dass Industrie 4.0 und damit verbundene technologische Innovationen Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell haben werden. Doch in der Praxis sind sie zögerlich: Eine strukturierte Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen findet trotz der mehrheitlichen Erwartungen und der hohen Relevanz für den Unternehmenserfolg selten im Geschäftsalltag statt. Dabei sind neue Geschäftsmodelle notwendig, um das Geschäft zu erweitern – oder eben auch neu zu erfinden.

Gute Ideen kosten allerdings Zeit – in der Entwicklung, der Ausarbeitung und der Implementierung …

 Es gibt aber keine Alternative! Die zunehmende Digitalisierung und die weite Verbreitung innovativer Technologien führen zu Produkt- und Dienstleistungsinnovationen. Die Kunden erwarten nun einmal digitale Services. Die Entwicklung und der Einsatz neuer Produkte und Dienstleistungen zur Beherrschung komplexer Prozesse und zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen sind demnach unerlässlich. Deshalb dürfen Unternehmen den Aufwand nicht scheuen. Dabei gilt: Auch die Marktdurchdringungszeiten werden immer kürzer. Das Mobiltelefon brauchte noch 13 Jahre, um eine kritische Masse an Usern zu erreichen. Beim Internet waren es bereits weniger als sieben Jahre. Deshalb sollten sich Unternehmen auf die Digitalisierung ihres Geschäftsmodells vorbereiten.  

 Die Digitalisierung bringt ja nun auch nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen mit sich. Welche sehen Sie da insbesondere auch für den Mittelstand? 

Die zunehmende „Intelligenz“ von Produkten führt zu einem hohen Potenzial für neue Servicegeschäfte. Automatischer Datentransfer, Live-Tracking von Produkten oder autonome Ladeträger ermöglichen den Kundenbeispielsweise mehr Informationstransparenz und eine durchgängige Nachvollziehbarkeit der Produktherkunft. In digitalisierten Serviceprozessen steckt dabei heute mehr Umsatz und Gewinn als im klassischen Absatz.

Wie gelingt es Unternehmen, diese Chancen zu nutzen? 

Zunächst einmal muss man sich bewusst machen, dass der Kunde im Zentrum eines jeden Geschäftsmodells stehen muss. Unternehmen sollten sich also auf konkrete Kundenbedürfnisse fokussieren und einen Mehrwert bzw. ein passendes Angebot für ihre Kunden schaffen. 

 Was sind weitere Erfolgsfaktoren? 

Das Zeitalter der Digitalisierung ist auch das Zeitalter der Geschwindigkeit und der Kollaboration: Unternehmen sollten etablierte Methoden – auch und gerade agile Methoden – strukturiert nutzen, auf eine ganzheitliche, organisationsübergreifende Entwicklung setzen und ihr Modell schnell und flexibel testen. Ganz wichtig: Bei der Geschäftsmodellentwicklung sollte man immer externe Partner und Kunden mit einbeziehen. So erhalten Unternehmen ein direktes Feedback und können Prozesse konkretisieren.

Die Bedingungen auf dem Markt sind allerdings einem ständigen Wandel ausgesetzt. Auch die Methoden und Vorgehensweisen zur Entwicklung von Geschäftsmodellen entwickeln sich kontinuierlich weiter. Wie begegnen Unternehmen der andauernden Veränderung am besten?

Indem sie sie annehmen und sich nicht scheuen, neue Wege zu gehen. Im Digital Hub Logistics bieten wir im Rahmen der Start-in Factory beispielsweise auch eine Vielzahl von Innovationsbausteinen zu neuesten Methoden und Modellen an, mit denen Unternehmen sonst vielleicht nicht in Berührung kommen würden. Gerade zum Thema Geschäftsmodellentwicklung gibt es ein erweitertes Vorgehensmodell unter Einsatz von Lean-Startup. Dabei werden Minimum Viable Products (MVP) zum Testen von Geschäftsmodellansätzen verwendet. Wer offen dafür ist, das einfach mal ausprobieren, der wird auch am Markt und beim Kunden die Nase vorn haben.